Der Blog is ja kein Wunschkonzert
- Barbara Kolinowitz
- 6. März
- 12 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 7. März
Folgendes hat sich zugetragen:
Neulich sitz ich gerade bei meinem wohlverdienten Frühstückskaffee. Es war Mittwoch, 07:52 Uhr – die Kinder eeendlich aus dem Haus. Eeendlich deshalb, weil es wieder mal eine a…knappe Angelegenheit war.
Eh wie fast jeden Tag eigentlich.
Für Menschen ohne (Klein-)Kinder vermutlich unvorstellbar, was es da alles an Vorarbeit zu leisten gibt, bis man endlich das Haus verlassen kann.
No offense - bitte. Ich find´s großartig!
Ich bin einfach nur mega neidisch.
Menschen ohne (Klein-)Kinder verlassen das Haus. Einfach so.
WIR sind so ziemlich das Gegenteil von "einfach so das Haus verlassen".
An dieser Stelle ein kleiner Exkurs UNSERES Morgen/Nachtrituals:
06:15: Tagwache. Spätestens. Manchmal auch unfreiwillig früher, weil MiniMe des Nächtens oder eben manchmal erst des ganz frühen Morgens zu uns kommt. Das „zu uns kommen“ gestaltet sich aber eher passiver Natur, es kommt nämlich nicht von selbst, es will selbstverständlich abgeholt und getragen werden. „AGST“ (=Angst) ist die Antwort auf die Frage, warum es denn nicht eigentlich selbst aufstünde und zu uns rüberkäme.
Und wer jetzt noch gute Tipps hat: Wir kennen sie alle inklusive Monsterspray und Superhasennachtlicht. Nix. Gegen AGST haben wir kein Leiberl. Is so.
Wir unterlassen mittlerweile auch sämtliche Versuche, das Kind in seinem Bett zu behalten. Reiner Selbstschutz. Zugegeben.
„Das Bett“ ist nämlich noch ein Gitterbett, an dem nur ein paar Sprossen rausgenommen wurden. Vor dem Bett liegt mittlerweile so eine Babykrabbeldecke, weil ich, in meinem Alter, die Kühle des Bodens nicht mehr so gut vertrag und ich relativ viel Zeit auf dem Platz vor dem Bett verbringe. Zumindest Teile von mir. Zu zweit in dem Bett geht sich rein physikalisch nicht aus (ich hab´s wirklich ausprobiert, dann den Versuch aber vorzeitig abgebrochen, aus Angst, die hiesige Feuerwehr anrufen zu müssen, mit der Bitte, mich aus einem Gitterbett rauszuschneiden. Ganz ehrlich: Wie erklärst denn des?!).
MiniMe ist aber eben eine alte Kuschelmaus und damit das mit dem Kuscheln auch gelingt, brauchts net viel, man muss eigentlich nur ein kleiner Zirkusartist sein. Am besten einer mit viel Übung. Es geht nämlich darum, den rechten Arm auszustrecken, das rechte Ohr ganz knapp an die rechte Schulter zu pressen, sich in Schräglage zu begeben und sich in dieser Position durch das winzige Sprossenloch hindurchzuzwängen. Dann liegt man mit dem Oberkörper im Bett, ab Hüfte abwärts auf der Babykrabbeldecke und „kuschelt“ so mit dem Winzling, bis er einschläft. Wenn man also die Uhackerl-Position im Halb-Liegen angenommen hat, dann liegt man tatsächlich (Achtung: Wortwitz!) genau richtig.
Gut. Zugegeben. Ich bin da auch etwas geübt. Als Kind musste ich als Winzerstochter schon immer durch das winzige Türl in die Holzfässer reinkraxeln, um drinnen den Weinstein runterzuklopfen. Früh übt sich, wer im Gitterbett kuscheln will. Oder im Weinfass.
Jedenfalls - wenn dann also MiniMe endlich bei uns drüben liegt - schläft sie zwar relativ schnell wieder ein, ich dafür … nicht.
Um 5 in der Früh sagt mir meine innere Stimme dann unaufhörlich: „Schlaf jetzt schnell wieder ein, du hast nicht mehr viel Zeit! Schnell! JETZT!“ Und zack – ist mein Adrenalin-Spiegel am Plafond. Bekanntlich verträgt sich Adrenalin mit Schlaf net so gut, macht auch Sinn, hätte sich die Menschheit ansonsten einfach nur selbst ausgerottet.
Exkurs Ende.
Der Wecker läutet jedenfalls um 06:15 Uhr. Ich schieb dann das Kind von mir runter und mich selbst aus dem Bett, such mir mit meiner Taschenlampenfunktion am Handy mein Outfit des Tages zusammen (was haben die Leute früher nur ohne Handy gemacht ?!) und verschwinde ins Badezimmer. Am Weg dorthin öffne ich dann schon die andere Kinderzimmertür, um so ein „dezentes“ Erwachen einzuleiten. Merkwürdigerweise schließt sich dieselbe in letzter Zeit immer öfter mit einem tiefen, fast mürrischen Grunzen, das Licht geht auf magische Weise wieder aus und die Decke zieht sich wie durch Zauberhand blitzartig über die Köpfe meiner Kinder.
06:25 - Während ich mich also fertig mache, gönne ich meinen Mädels noch ein paar Minuten. Und das sind dann meistens genau DIE Minuten, um die es sich dann am Ende ums berühmte „A“ nicht – oder nur sehr knapp – ausgeht.
06:40 Das einzige, was uns jetzt noch retten kann, ist die
Boot-Camp Technik:
"Anziehen – JETZT! Haare machen – JETZT! – Zähneputzen – JETZT! Spielen – JETZT NIIIIIICHT!"
OK. Only in my dreams.
Aber sie KÖNNTE funktionieren, wenn…
…da nicht das Kind schon fertig angezogen wäre, um dann zu bemerken, dass diese widerliche Strumpfhose gerade vorne bei den Zehen Nähte hat (surprise) UND folgendes in die Menge dröhnt: „Das will ich aaaber niiiiicht!“
…da nicht das Kind sich in einer schier endlos wirkenden Zeitmenge finally die Sockerl richtig herum über den Fuß gewutzelt hat um sie dann mit einem Ruck wieder runterzureißen: „Die Punkterl auf den Socken jucken soooo!“
…da nicht die Schere wäre, die sich jeden Tag aufs neue versteckt und so dringend gebraucht würde, um das Mackerl von der Unterhose zu schneiden, das sooooooo kratzt!
…ich es nicht gewagt hätte, die falsche Bürste für das falsche Kind zu verwenden
…wir nicht endlich abfahrbereit wären und ich beim Rausgehen im Hintergrund noch vernehme: „Ich muss aufs Klo!“
…die Kuscheltiere jetzt nicht unauffindbar wären aber jetzt überlebensnotwendig sind (zumindest ließe sich das aufgrund Lautstärke und Tonlage so interpretieren)
…ich nicht die Müslischüsserl vertauscht hätte und jetzt das eine Kind das Schüsserl mit der liegenden und das andere Kind das Schüsserl mit der Herzerl-Katze verwenden müsste (man male sich aus, welche Folgen das mit sich brächte)
Die Liste ist endlos, die Themen, erweiterbar, abwechslungsreich und kreeeeaatiiiiv.
07:43 - die Schule öffnet in 2 Minuten und wir sind noch immer auf der Suche nach Schneemi dem Schneemann (eins von 1 Milliarde Kuscheltiere in unserem Haushalt). Aber he - es geht sich aus. Irgendwie geht es sich dann immer aus.
Deshalb finde ich:
JA! Mein Frühstück ist wohlverdient und der Kaffee hart erarbeitet!!
Ich also – nach meinem ersten morgendlichen Schweißausbruch endlich bei einem leckeren Häferl Kaffee – die Entspannung in mir breitet sich bereits aus, die Sonne strahlt mir von hinten in mein Häferl, bimmelt – neben mir liegend - mein Handy. Eine Nachricht erreicht mich und im Pop-Up Fenster seh ich nur die Worte:
„Folgende Wette: Schaffst du es…“
Mein erste Reaktion war tatsächlich: Oh Gott, gibt es jetzt die Kettenbriefe auch schon im What´sApp Format?
Kennt ihr die noch? Ich mein, die Originalen?? Ich hab´s gegoogelt. Made my day, sag ich euch. Da wurden Erinnerungen wach – herzallerliebst. Die musste man damals entweder 20x kopieren, oder, wer nicht so ein wunderbares Vervielfältigungsgerät daheim hatte, abschreiben und weiterschicken. Weil sonst… Unglück, Flüche, Massenpanik, Sintflut, Weltuntergang … oder Vergleichbares.
Mindestens.
Das Dr. Sommer Team hat damals folgendes empfohlen (Netzfund[1]): „Geht nicht auf diese Erpressung ein!“
Hahaha. Herrlich.
Aber weil ich eine neugierige Nase bin und nach meiner ersten Kettenbrief-Kurzschluss-Reaktion mir der Gedanke kam, dass ich die Absenderin ja kenne und sie nicht als Kettenbrief-Verschwörungstheoretikerin eingeschätzt hätte, habe ich dann wohl die ganze Nachricht gelesen.
Da stand also (no shit!):
„Folgende Wette: Schaffst du es darüber einen Blog-Beitrag zu schreiben? Wenn ja, gemma im April zum Heurigen und wir zahlen die Wäsch.“
Dazu bekam ich noch folgendes Bild:

Ich hab vor lauter Lachen fast meinen Kaffee wieder zurück ins Häferl gespuckt und dann geantwortet:
„Ich denk nach.“
Aber klar war eigentlich an der Stelle schon: Die Herausforderung MUSS ich annehmen! Wegen dem Radierer UND dem Heurigen. UND der Herausforderung. UND meinem Selbstwertgefühl. Selbstverständlich.
Es kam also, wie´s kommen musste. Ich klicke auf Antworten und schreibe: "Challenge accepted!"
Meine erste Assoziation zu dem Radierer war:
„Ah, den hab i nie mögen. Der war so hart. Mit dem hast nix anfangen können. Und der blaue Teil hat sowieso nur Löcher ins Papier radiert. Net amal mit den Futzerl davon hast irgendwas anstellen können. Die waren nämlich auch so hart. Mir war der weiße Edding-Radierer in der blauen Plastikhülle immer viel lieber.“
Und die zweite:
„Gibt´s den überhaupt noch?“
Ihr könnt euch das Googeln jetzt ersparen, JA, den gibt es noch, von diversen Firmen sogar und kostet zwischen 0,50 bis 0,70 Cent das Stück. (Im Gegensatz zum Stollwerk, dass damals "auch" 50 Groschen das Stück gekostet hat und ich seither nirgendwo mehr auftreiben konnte).
Bei meiner zweiten Tasse Kaffee haben sich dann meine Synapsen auch schon gut eingeschwungen und mich automatisch in die damalige Zeit versetzt. Wann hatte ich denn eigentlich so einen Radierer? Vermutlich in meiner Volksschul-Zeit, da wird noch viel mit Bleistift geschrieben und viiiiiieeeeel radiert. Seeeeehr viiiiiieeeeel radiert! Meine VS-Lehrerin war nämlich eine ganz Genaue. Da wurde noch mit dem Geodreieck an den Kanten der Buchstaben angelegt, um zu überprüfen, ob sie im richtigen Winkel liegen. Zumindest hat es sich als Kind so angefühlt.
Das waren noch Zeiten.
In den Pausen mussten wir mit den Pausenbroten im Schulhof im Kreis gehen. Ich dachte lange Zeit, dass das geübte Praxis war. In allen Schulen. Aber nein, weit gefehlt! Als ich diese Anekdote mal meinem Mann erzählte (damals waren wir noch nicht verheiratet), kam ein sehr langezogenes, skeptisches, eingeschüchtertes und eher fragendes: „Okaaaaaaaayyyyyy?“
Und ich schwöre, er hat sich damals bestimmt sowas gedacht, wie: „Also bevor ich DER einen Antrag mache, sollten wir das mit der Kindheit nochmal klären. Das is mir eine Spur zu heiß.“
Ja, die Zeiten damals waren noch anders. Da gabs noch kalten picksüßen Kaffee als Kindermilch in den Schulpausen. Da kannten Indianer noch keinen Schmerz. Da lernte selbst der dümmste Esel noch durch Wiederholung. Da galt noch die Prämisse: Wer, wie was, wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt bleibt dumm! „Bleibt“ nämlich. Da war es Hans nicht mehr möglich zu lernen, was er als Hänschen noch nicht gelernt hatte. Da wurde man aus Fehlern eeeeendlich klug. Da war das Leben noch kein Wunschkonzert.
Man wurde mit 1 beurteilt, wenn man brav und fleißig war, mit 2, wenn dem nicht so war. 3-5 gabs einfach nicht (aber dazu gibt’s ja schon einen Blogbeitrag: Lauter Einser). Wenn ein Lehrer das Klassenzimmer betrat, mussten wir alle aufspringen und im Chor singen: „Grüüüüüüüüüüüüüß Gottttttt!“
Wenn man was angestellt hatte, gabs Nachsitzen. Einmal, da musste sich ein Kollege sogar ins Winkerl stellen. Kein Scherz. Ich kann mich heute noch an die Winkerlaktion erinnern, weil ich total eingeschüchtert war und gleichzeitig immer wieder versucht habe, einen Blick nach hinten zu erhaschen, ohne dabei erwischt zu werden. Es durfte nämlich nur das Kind im Winkler ins Winkerl schauen, wir nicht. Mir war einfach nicht klar, was man in dem Winkerl denn jetzt so tut und mir wollte partout nicht einleuchten, was es bringen sollte, mit dem Rücken zur Klasse zu stehen und sich für längere Zeit ein Eck mit einem dunkelroten Plastikvorhang ansehen zu müssen.
Auf schwierige Verhältnisse daheim wurde damals, glaube ich, eher wenig Rücksicht genommen.
Kinder mit Legasthenie mussten ggf. nachsitzen und auch noch weitere Stunden anhängen, damit sie dieselben Arbeitsblätter nochmal machen und denselben Text nochmal lesen konnten. Dyskal…WAS? Und ADHS gabs sowieso nicht. Wer hätte das denn damals gebraucht?!
Gelernt wurde im Sitzen. Eigentlich ausschließlich. Als Material wurden Schulbücher verwendet. Auch fast ausschließlich. Außer in Handarbeiten. Da gab´s Wolle. Schließlich sollten wir das Stricken lernen. Hat dann meine Mama für mich fertig gemacht. Sonst würde ich heute noch bei einem Packerl Schulkaffee in der Volksschule sitzen und an meinem dunkelblauen Schal herumfutzeln. Oh, falsch. Vermutlich ohne Packerl Kaffee, weil während der Stunde durfte nicht getrunken werden. Stimmt. So war das.
Wenn wir aufs Klo mussten, mussten wir fragen, ob wir gehen durften. Eine Bibliothek hatten wir zumindest in der VS nicht. Dafür eine Comic-Hefte-Sammlung vom Feinsten daheim. Bei drei Brüdern war das irgendwie obligatorisch…
Die Mädchen gingen zur Jungschar, die Buben zu den Ministranten. Das waren quasi Wahlpflichtfächer. Strickt getrennt, versteht sich. Wo wären wir da denn bitteschön hingekommen, wenn sich in der „Freizeit“ Burschen und Mädchen im Volksschulalter auch noch getroffen hätten?! Sodom und Gomorra.
Fehler wurden mit Rotstift korrigiert. Immer. Ich kenn aus meiner Schulzeit eigentlich gar keine andere Farbe. Wenn man etwas nicht begriffen hatte, musste man es schlichtweg zig Male wiederholen. Oder wie in meinem Fall: 100x schreiben. (Und mit 100x meine ich tatsächlich einhundert Mal!).
Ich für meinten Teil z.B. das hier:
1m = 10dm = 10cm = 10mm
Stimmt das jetzt eigentlich? Es macht mich noch immer nervös.
Was sich in den letzten 20 – oooookaaaaaay, vielleicht 25 (maximal!) – Jahren geändert hat?
Viel! Seeehr viiieel!
Und auch wieder wenig.
Den Radiergummi zum Beispiel. Den gibt’s nach wie vor.
Aber der Rotstift wiederum, der wird teilweise schon durch andere Farben ersetzt. Der Unterricht findet nicht mehr nach wie vor ausschließlich im Sitzen statt und die Schulbücher sind didaktisch wirklich vom Feinsten! Es gibt tonnenweise Veranschaulichungsmaterial zum besseren Verständnis, Kinder dürfen jetzt tatsächlich auch endlich Dinge BE-greifen. Kein Lehrer würde mehr auf die Idee kommen, seine Schüler „Wappler“ zu nennen. Die Winkerl in den Klassen sind jetzt endlich alle abgerundet und die meisten Schulen haben auch schon Erfahrungen mit Lern- bzw. psychischen Störungen, auch wenn es hier sicherlich noch viel Luft nach oben gibt (nicht nur in den Schulen).
Was sich leider meines Erachtens viel zu wenig weiterentwickelt hat, und jetzt kommt wieder der Radiergummi ins Spiel, ist die Fehlerkultur. Beziehungsweise das Nichtvorhandensein dieser. Die gute Nachricht ist: Wir lernen jetzt schon – schrittweise – anders darüber zu sprechen. Fehler sind jetzt nicht mehr dumm, sondern Fehler sind dazu da, um aus ihnen zu lernen.
Fehler sind also nicht mehr böse, Fehler sind eine Chance.
Wirklich?
Naja…
…sagt da der Skeptiker in mir. In unserem Schulsystem schaut die Welt nämlich schon noch anders aus. Wie wir es auch drehen und wenden möchten, Fehler werden in der Schule sanktioniert. Und Schuld daran ist (zumindest vordergründig) das Notensystem, an dem wir nach wie vor festhalten, und das auch irgendwie in unseren Köpfen gar nicht mehr wegzudenken ist.
Schule ohne Noten? Wie soll das denn bitte gehen?
Anstatt einer einzigen Antwort hätte ich hierzu eine Fülle an Gegenfragen, wie z.B.:
Wozu brauchen wir die Noten? Welchen Nutzen haben Noten? Was bringt eine Einteilung von Können oder Leistung auf einer 5-stufigen Skala? Welchen Mehrwert bringt die Kenntnis darüber, dass Franzi (sie oder er) im Sachunterricht oder in Physik (wurscht) einen Dreier hat? Was haben unsere Kinder davon? Was haben WIR als Eltern davon? Was hat überhaupt die ganze Gesellschaft davon zu wissen, dass X einen 1er in Deutsch, dafür einen 4er in Chemie hat? Ändert sich dafür für uns irgendwas? Ich meine freilich Sinnstiftendes, Wertbringendes oder Positives?
Bis vor einigen Tagen hätte ich an dieser Stelle noch zu mir selbst gesagt:
Und? Was bringt es dir jetzt, über ein Schulsystem zu sinnieren, dass du eh nicht ändern kannst?!
In unserer Welt tut sich gerade sehr viel. Sehr viel, dass mir teilweise sehr im Magen liegt, mich sehr beschäftigt und teilweise auch sehr beunruhigt. Bis vor einigen Tagen war ich noch der Meinung, dass ich weder die Weltpolitik, noch das Klima oder das österreichische Schulsystem beeinflussen könnte.
Und dann ist mir aber folgender Satz untergekommen:
„But what can I do, I am just one person?“ said 7 billion people. „Aber was kann ich tun, ich bin nur eine Person?“ sagten 7 Milliarden Menschen.
Zugegeben: Seitdem ich den Spruch gelesen habe, habe ich ihn auch schon überall deponiert. Aber er ist einfach zu gut, um ihn nicht hier auch noch zu verbraten.
Und was ist jetzt anders? Hat mir der Satz jetzt plötzlich auf wundersame Weise die Allmacht verliehen alles zu ändern?
Noch nicht ganz.
Aber ich arbeite daran.
Das mit der Weltpolitik oder dem Regentanz funktioniert noch nicht so toll.
Aber es ist schon was passiert.
Ich fühle mich jetzt nämlich nicht mehr so ohn-mächtig. Vermutlich der Grund für mein Unbehagen. Das Gefühl zu haben, nichts (dagegen) tun zu können ist für mich ein ganz schreckliches Gefühl. Machtlosigkeit und das Gefühl, nicht mehr selbstbestimmt handeln zu können - schrecklich.
Aber dann ist mir eingefallen, was ich vielleicht DOCH tun könnte:
Ich kann zum Beispiel mal damit anfangen, zu sehen und mich darüber zu freuen, dass die Lehrerinnen meiner Tochter andere Farben als rot zur Korrektur verwenden. Dass sie ihr NICHT die Freude nehmen, selbst schon erste Sätze zu formulieren, in dem sie alle Wörter, die sie noch nicht kennt, auch noch mit rot anstreichen, sondern es vielleicht wissentlich „übersehen“ oder nur zart mit Bleistift das Wort klein nochmals darüber schreiben, damit sie sehen kann, wie es richtig geschrieben werden müsste.
Ich kann zum Beispiel damit anfangen, mein Wording in der gemeinsamen Arbeit mit dem Kind zu ändern. Anstatt mit dem Finger (oder dem Radierer) auf ein falsches Ergebnis oder ein falsch geschriebenes Wort zu zeigen, und vielleicht dann auch noch entsetzt oder entnervt „falsch“ „schon wieder falsch“ „nein, nochmal“ oder dergleichen zu rufen, könnte ich mich genauso gut gemeinsam auf Detektivarbeit begeben und schauen, wer von uns als erstes die drei Wörter findet, die man vielleicht doch anders schreiben muss?
Ich könnte auch, anstatt bei jedem falschen Ergebnis „Fehler“ zu rufen, bei jedem richtigen Ergebnis „JUHU“ schreien. Ich könnte mal zählen und erwähnen, wie viele von den Rechnungen alle richtig sind…
Ich könnte, anstatt mich vor der Weltpolitik zu fürchten und in eine Schockstarre zu verfallen, doch wieder meine Stimme finden und meine Meinung kundtun. Vielleicht gelingt es mir dabei noch andere Sichtweisen aufzuzeigen und auch vielleicht nur eine einzige Person dazu anzuregen, nachzudenken oder ganz generell mal zu reflektieren.
Ich könnte, anstatt andere zu korrigieren, ihre Meinung einfach im Raum stehen lassen und meine - ganz lässig - einfach nur daneben dazu stellen.
Ja, das könnte ich und das gefällt mir.
Das Leben ist kein Wunschkonzert.
Für viele Menschen ist das leider tatsächlich so. Da brauch ma gar nix schön reden.
Aber ich – und wahrscheinlich/hoffentlich auch ihr und unsere Kinder – wir alle sind tatsächlich in der wundersamen, glücklichen Lage zu sagen:
„Mein Leben IST ein Wunschkonzert! Ich kann es mir aussuchen, wie ich leben möchte. Ich darf es selbst gestalten und mir meine eigenen, ganz persönlichen Wünsche erfüllen.“
Wir können mitgestalten. Wir können Fehlern eine Chance geben und unseren Kindern die Freude am Lernen erhalten.
Wär jetzt tatsächlich ein gutes Ende dieser Geschichte.
Wenn da nicht noch eine Frage offen bliebe, die mich sehr lange sehr beschäftigt hat:
Warum ist man eigentlich fett wie ein Radierer?
Wer´s genauer wissen will, der darf hier gerne nochmal nachschauen: Fett und Fettn, Radi und Radierer | Andrea Maria Dusl - Das Bureau
So wie immer im Leben gilt – im Zweifelsfall nochmal genauer hinsehen. Das Leben hat immer mehrere Farben, zumindest rot UND blau.
In diesem Sinne, ihr Lieben – meine Arbeit ist ja jetzt getan.
Wir sehen uns dann beim Heurigen.
Meine Freundin zahlt im Übrigen.
Alles Liebe,
eure Barbara
Comentarios